Aufreger: Wenn der Postbote 2-mal klingelt

Von Generation WOW23.05.2019

Was wäre die Meins nur ohne den unterhaltsamen Aufreger von Autorin Angi Brinkmann? Eben! Deshalb gibt’s die Kolumne der 52-Jährigen jetzt auch online. Diesmal: Angi kommt sich vor wie eine Packstation…

Und wenn der Postmann zweimal klingelt meint er ganz sicher mich! Der Umstand ist der: Ich bin freie Journalistin und schreibe, Sie werden es sich denken, die meisten meiner Artikel, wie auch diese Kolumne, im Homeoffice. Das ist ein richtig schönes Büro mit eigenem Eingang und regem Besucherstrom. Leider nicht unbedingt Kunden, sondern meistens Paketfahrer, die mit rollenden Augen und tropfnasser Stirn schwer beladen um Einlass betteln. Ich habe da schon so meinen Rhythmus. Gegen elf Uhr am Vormittag rumpelt UPS um die Ecke meiner Kopfsteinpflasterstraße. Der Fahrer muss in seinen Wagen noch reinwachsen, der bleibt immer mit einem Reifen am Bordstein hängen. Dieses Quietschen von Gummi ist mein Startzeichen, langsam vom Schreibtisch aufzustehen.

Während der schokoladenfarbene Overall die heruntergepurzelten Pakete in seinem Wagen sortiert, stelle ich Teewasser auf und erwarte sein Klingeln. „Äääh, Schuldigung, Sie nehme das? Nachbarrr is nich da …“, schnauft er gestresst. Wetten, der hat mal wieder genau nirgendwo geklingelt, weil er eh weiß, dass alle weg sind? „Ja, klar“, säusle ich und hole ihm einen Müsliriegel. Er strahlt wie Michel aus Lönneberga und rennt winkend zu seinem Lieferwagen. Herrlich romantisch, wäre es bloß Bullerbü und nicht Saarbrücken.

Liebe Nachbarn, auch ich habe ein Leben…

Am Nachmittag, kurz vor halb vier, beginnt meine nächste Paketschicht. Mit Kaffee in der Hand stehe ich bereit, weil erfahrungsgemäß gleich DHL die Straße durchpoltert. Mit dem netten Fahrer in seiner bunten Kanarienvogel-Uniform bin ich längst beim Du. Anstandshalber klingelt er kurz bei zwei von acht Bestellern auf seiner Liste, das sehe ich vom Fenster. Erst dann bringt er alles zu mir und stapelt sich fachgerecht durch meinen Flur, fein geordnet neben das Türmchen des Kollegen. Zu meinen Unterschriften reiche ich den obligatorischen Schokoriegel, da freut er sich immer so. Im Anschluss mache ich stylishe Fotos der Pakete und verschicke sie via WhatsApp an meine abwesenden Nachbarn. Dann warte ich. Ich warte und warte. Auf ein Danke, ein Emoji oder auf gar nix – denn DAS kommt garantiert. Verrückt, dass es Leute gibt, die trotz Benachrichtigungskarte im Briefkasten die Füße hochlegen und sich augenscheinlich sagen „Ach, das hol’ ich morgen …“ Da geht mir die Paket-, äh, Hutschnur hoch! Nie im Leben könnte ich mich entspannen, während irgendwer irgendwo noch eine Rechnung mit mir offen hätte.

Im Mietshaus einer Freundin hängt neuerdings an der Erdgeschosswohnung ein Zettel: „Liebe Nachbarn! Auch ich habe ein Leben. Ich schlafe, esse oder mache zuweilen auch Pipi. Bitte klingeln Sie nur einmal und nur zu Zeiten, zu denen auch SIE Ihre Türe öffnen würden. Pakete, die nach drei Tagen nicht bei mir abgeholt sind, öffne ich. Beste Grüße!“ Das kopiere ich mir. Und jetzt bringe ich meinen Nachbarn ihre Lieferungen. Kein Ding, irgendwer hat bestimmt Schokolade für mich. Am liebsten mag ich Kokos, falls ihr das lest. Bis gleich.

Zurück zur Liste